Buchpräsentation 30. November 2016 Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi

Im Mittelpunkt der bestens besuchten Veranstaltung stand der konservative mährische Großgrundbesitzer Graf Egbert Belcredi, der ältere Bruder des österreichischen Ministerpräsidenten Richard Belcredi. Das  Tagebuch Egbert Belcredis eröffnet  tiefe Einblicke in die österreichische Politik und Gesellschaft über mehr als vier Jahrzehnte (1850-1894).  Egbert Belcredi war vielschichtig und als solcher ein herausragender Kristallisationspunkt österreichischer Geschichte: Konservativer Denker, Katholik, Großgrundbesitzer und sozialpolitischer Vordenker seiner Zeit, darüber hinaus streitbarer Mitherausgeber des katholisch-konservativen Blattes „Das Vaterland“. Egbert Belcredi war eine Persönlichkeit, die auch den Streit und die Zuspitzung – mit Ironie, Spott und gelegentlichem Zynismus – regelrecht suchte. Univ.-Prof. Dr. Lothar Höbelt, einer der drei Herausgeber des Buches, verstand es, die Lebensgeschichte eines Mannes, der am Beginn der frühen christlichsozialen Bewegung stand  und selbst noch tief im österreichischen Konservativismus verwurzelt war, mit der Entstehungsgeschichte des Buches, zu verknüpfen.

Die ersten Versuche, das Originalmanuskript des Tagebuches, das im Mährischen Landesarchiv in Brünn verwahrt wird, zu edieren, erfolgten bereits in der kommunistischen Ära der CSSR. Es war den Bemühungen des tschechischen Historikers Antonin Okac zu verdanken, dass grundlegende Vorarbeiten bereits vor der „Wende“ 1989 erfolgten. Okac selbst blieb eine Herausgabe verwehrt. Als bekennender Katholik war er Repressionen ausgesetzt. Er starb 1986 und galt dem KP-Regime als wissenschaftlich verfemt. Ein Umstand, der – wie es der Geschäftsführer des Vogelsang-Instituts, Priv.-Doz. Dr. Helmut Wohnout betonte – schon ausreichen würde, die neuerschienene Edition im Rahmen einer Veranstaltung des Instituts zu präsentieren.
Helmut Wohnout bezeichnete in seinen Ausführungen Belcredi  als „eine Art hocharistokratische Schutzmantelmadonna“ für Vogelsang, den er außerordentlich wertschätzte. 1888 schrieb er über ihn, er sei „ein Mann von fester und erprobter katholischer und konservativer Gesinnung, ausgebreitetem Wissen und universeller Bildung. Er besitzt zudem eine seltene Arbeitskraft und ein Agitationstalent, welches ihm unschätzbare Beziehungen und Anknüpfungen zu Gebote stellt, […].“ Und als Belcredi am 9. November 1890 in Brünn die Nachricht vom Tod Vogelsangs erreichte, vermerkte er in seinem Tagebuch: „Ein echter katholischer Edelmann von reinem Geist und Wissen, einem weitem umfassenden Blick, einer selten gewandten Feder, ein hervorragender Führer im Kampfe um eine christliche Sozialreform. Kurz gesagt, ein kaum zu ersetzender Verlust, […]“.

Die von Lothar Höbelt, Johannes Kalwoda und Jiri Malir herausgegebene Edition umfasst mehr als 1200 Seiten. Sie ist als Band 114 der Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs im Verlag Böhlau erschienen.