Nadine Paunovic (1903-1981)
Am 30. April 1903, kam Nadine Paunovic als Tochter eines Militärjuristen in Sarajevo zur Welt. Sie war elf Jahre, als das Attentat auf den Thronfolger erfolgte und in weiterer Folge der Erste Weltkrieg ausbrach. Noch während des Krieges trat sie in die Lehrerbildungsanstalt in Wien ein und maturierte 1922. Das Studium der Philosophie, Germanistik und Anglistik absolvierte die Zielstrebige neben ihrer Tätigkeit als Volks- bzw. Hauptschullehrerin. 1929 promovierte Paunovic zum Doktor phil. Nach dem Studium unterrichtete sie bei den Ursulinen (Wien-Stadt). Bereits mit 19 Jahren begann ihr politisches Engagement durch Mitarbeit in der Katholischen Frauenbewegung und im Frauenreferat der Vaterländischen Front.[1] 1939 wurde Paunovic aufgrund ihrer christlich-sozialen Gesinnung fristlos entlassen, verdiente ihren Lebensunterhalt in einer Miederfabrik und gab Privatstunden. In der NS-Zeit unterstützte sie ausländische Arbeiter und war immer wieder Verhören und Hausdurchsuchungen ausgesetzt. [2] Am Ende des Zweiten Weltkrieges übernahm sie zunächst die provisorische Leitung des Mädchengymnasiums Clementinengasse (Wien-Fünfhaus) und ab 1946 das Mädchengymnasium Erlgasse (Wien Meidling). Zwei Jahre später wurde Paunovic dort Direktorin, erhielt den Titel einer Hofrätin und ging 1966 in Pension.[3]
Sie war, was typisch für die Avantgarde von Politikerinnen war, ledig und ging vollends in ihrem Beruf als Pädagogin auf. Erste politische Sporen hatte sie sich in der Zwischenkriegszeit auch in der christlichen Arbeiter- und Angestelltenbewegung verdient[4], wo sie wohl auch schon ihrem späteren Mentor, Felix Hurdes, begegnete. So verwundert es nicht, dass sie – gemeinsam mit Nora Hiltl (Gründerin der ÖVP Frauenbewegung in Wien) – bei einer Vorbesprechung über die Neugründung der ÖVP, die Leopold Figl, Felix Hurdes und Lois Weinberger führten, auch anwesend war. Vor dieser Zusammenkunft führte sie bereits mit Frauen im ersten Parteilokal der ÖVP im Schottenstift Gespräche über den Aufbau einer ÖVP Frauenbewegung. Nun unterbreitete sie Felix Hurdes ihre Idee. Dieser schilderte die Begegnung mit Paunovic folgend: „Damals, ganz zu Anfang, als in Wien noch die Trümmer rauchten, und wir die Volkspartei aus dem Nichts aufbauten, kam eine schlanke Frau zu mir, deren Namen ich schon gehört hatte: Dr. Nadine Paunovic. Wir sprachen lange miteinander, ob sie sich getraue eine Frauenbewegung ins Leben zu rufen und sie zu leiten. Sie übernahm diese schier unlösbare Aufgabe. Bedenken Sie: ohne Post, Telephon, Straßenbahn, ohne Räumlichkeiten und ohne Geld. Bei der Tür drehte sie sich um und sagte: „Ich verspreche Ihnen, es gut zu machen.“ Und sie hat es gut gemacht.“[5]Paunovic war nicht nur eine Frau der Worte, sondern sie eilte auch schnell zur Tat: Bereits am 20. Juni 1945, zwei Monate nach der Gründung der ÖVP, erfolgte die Gründung des „Frauenbund“– die Bezeichnung war in Anlehnung an die bereits bestehenden drei Bünden der ÖVP gewählt worden.Die Frauen des „Frauenbund“ mussten in ganz Österreich Frauen mobilisieren, damit diese bei den Wahlen am 25. November 1945 der ÖVP ihre Stimme gaben – die ÖVP-Frauen waren erfolgreich, die ÖVP gewann die Wahl. Darüber hinaus organisierte Paunovic alle drei Wochen eine Frauenstunde der ÖVP in der RAVAG, wo Frauen-Themen besprochen wurden[6] und gab ab 1947 die Wochenzeitschrift „Frau von heute“ heraus.[7]
Im Jahr 1946 erfolgte die Umbenennung des Frauenbundes in „Österreichischer Frauenbund (ÖFB)“ und im Oktober 1946 leitete Nadine Paunovic dessen ersten Bundestag. Im November 1945 zog sie in den Nationalrat ein. Als Nationalrätin engagierte sich Nadine Paunovic im Bereich der Bildungs- und Sozialpolitik. Für sie waren Themen wie die Berufstätigkeit von Frauen, Mutterfürsorge, aber auch die Absicherung von Frauen im Alter durch eine „Gemeinschaftsrente“ wichtig.[8] Stets kritisierte sie die Diskriminierung von Frauen in der Arbeitswelt. Nadine Paunovic war eine aktive Parlamentarierin, die sich oftmals zu Wort meldete und in ihren Reden sich auch kritisch mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzte, auch betätigte sie sich vehemente Zwischenruferin. [9]
Paunovic` Verständnis von Frauenpolitik entsprach dem damaligen Zeitgeist, war entsprechend konservativ-traditionell und kann mit „Dienerin einer Partei“ beschrieben werden. So trat sie, der zeitlebens ein Familienleben verwehrt geblieben war, für eine Familienpolitik ein, die sie als wesentliche Säule des ÖFB betrachtete – neben der Religion. Sie forderte von den Frauen in der Politik, sich für die menschenzugewandte Seite der Politik zu engagieren, also für Sozial-, Kultur- und ein wenig Wirtschaftspolitik, denn „Politik hat mit Menschen zu tun und überall, wo dies der Fall ist, braucht‘s ein feines Fingerspitzengefühl, eine dienstbereite Einfühlungsgabe und ein sehr wachsames Auge. (…) Der Einbau der Frau in die Politik ist deshalb kein Zeitvertreib oder die Gewährung einer kindischen Laune, sondern reinste Notwendigkeit (…).[10]Bereits in den Jahren 1948 und 1949 stieß ihre traditionelle Haltung auf internen Widerstand jener Frauen, die dem ÖFB einen neuen Anstrich geben wollten. Darüber hinaus schied sie am 8. November 1949 aus dem Nationalrat aus – ihr folgte Grete Rehor, die 1966 erste Ministerin Österreichs werden sollte. Schließlich trat Paunovic am zweiten Bundestag der Frauenbewegung Mitte Oktober 1950 zurück. Ihr folgte Lola Solar als Bundesleiterin, sie war auch die Wunschkandidatin von Julius Raab. Nadine Paunovic wählte man zur Ehrenpräsidentin, die diese Funktion allerdings Ende 1951 – wohl gekränkt – zurücklegte.[11] Paunovic lag die Internationalisierung des ÖFB am Herzen. Sie reiste im März 1947 zu einem Kongress der Mouvement Républicain Populaire, der Schwesternpartei der ÖVP und kam mit der Idee zurück, eine „christliche Internationale der Frauen“ als quasi ein Pendant zur „Sozialistischen Internationale“ aufbauen zu wollen. 1955 erfolgte in Den Haag die Gründung der Europäischen Frauenunion – Lola Solar wurde zur ersten Präsidentin gewählt.[12]
Paunovic wird als „liberal-katholische Emanze“, die „äußerst gebildet und sehr feinsinnig“[13]war, beschrieben. Sie war engagiert und kritisch und stieß wohl immer wieder auf Widerstand und Kritik. Sie leistete mit der Gründung der Frauenbewegung Pionierarbeit. Diese muss entsprechend gewürdigt werden, bedenkt man, dass Paunovic damals auf keine Vorläuferorganisation zurückgreifen konnte. Aber Paunovic war nicht nur hier eine Pionierin, sondern sie war auch die erste Frau, die als „Bundesparteiobmannstellvertreter“ der ÖVP fungierte. Nach ihrem Ausscheiden aus der Politik ist es ruhig um sie geworden, vergessen starb sie am 3. August 1981 in Klosterneuburg.
[1] Barbara Fischer/Barbara Stiglmayr, Die Kandidatin. Frauen bewegen Österreich, Wien 2004, 151-152.
[2] https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Nadine_Paunovic (Zugriff: 09.03.2023).
[3] Fischer/Stiglmayr, Die Kandidatin, 152.
[4] https://www.parlament.gv.at/person/1163 (Zugriff: 09.03.2023).
[5] Die Frau von Heute 1/15, 17. Oktober 1946, 4.
[6] Anita Ziegerhofer, 70 Jahre. 1945 Frauenbund 2015 ÖVP Frauen, Wien 2015, 27.
[7] Fischer/Stiglmayr, Die Kandidatin, 153.
[8] Fischer/Stiglmayr, Die Kandidatin, 153.
[9] Fischer/Stiglmayr, Die Kandidatin, 154.
[10] AdÖFB, Nadine Paunovic, Die Politik von fraulicher Schau gesehen, 2-3.
[11] Ziegerhofer, 70 Jahre, 32-33.
[12] Ziegerhofer, 70 Jahre, 66-67.
[13] Fischer/Stiglmayr, Die Kandidatin, 154.