Das Engagement der „ÖVP“- Frauen in den ersten Nachkriegsjahren

Damals, ganz zu Anfang, als in Wien noch die Trümmer rauchten, und wir die Volkspartei aus dem Nichts aufbauten, kam eine schlanke Frau zu mir, deren Namen ich schon gehört hatte: Dr. Nadine Paunovic. Wir sprachen lange miteinander, ob sie sich getraue eine Frauenbewegung ins Leben zu rufen und sie zu leiten. Sie übernahm diese schier unlösbare Aufgabe. Bedenken Sie: ohne Post, Telephon, Straßenbahn, ohne Räumlichkeiten und ohne Geld. Bei der Tür drehte sie sich um und sagte: „Ich verspreche Ihnen, es gut zu machen.“ Und sie hat es gut gemacht.[1]  

Diese Worte stammen von einem der Gründerväter der ÖVP, Felix Hurdes. Er gilt als wesentlicher Mentor der ÖVP-Frauenbewegung, die knapp zwei Monate nach der Gründung der Österreichischen Volkspartei (17. April 1945) am 20. Juni 1945 unter dem Namen „Österreichischer Frauenbund“ gegründet wurde. Die damalige Bezeichnung „Frauenbund“ sollte wohl an die Benennung der bestehenden und die Partei konstituierenden Bünde – Wirtschaftsbund, Bauernbund und ÖAAB – angepasst werden. Allerdings sollte der Frauenbund, die heutigen ÖVP-Frauen, erst 1974 als selbständige Teilorganisation der Partei Anerkennung finden.  Mit der Gründung des Frauenbundes wollte man alle Frauen innerhalb der ÖVP organisieren (unbeschadet ihrer berufsständischen Zugehörigkeit zu den Bünden) und sie für die speziellen politischen, wirtschaftlichen und Fürsorge-Aufgaben einsetzen. [2] Die ÖVP-Frauen verstanden sich nicht ausschließlich als Interessensvertretung der Frauen, sondern vielmehr als aktive, politische Bewegung, die sich grundsätzlich mit allen Problemen der menschlichen Gesellschaft aus der Sicht der Frau befasst. Der Parteistruktur entsprechend war die Frauenbewegung dem christlichen Subsidiaritätsprinzip verpflichtet und föderalistisch aufgebaut: Die Bundesleitung befand sich in Wien und in der Zeit zwischen 1945 und 1947 erfolgte der Aufbau der Landesleitungen in den Bundesländern. Die Bundesländer waren in Bezirksleitungen, Stadtleitungen und Ortsgruppen gegliedert, die Referentinnen in Ausschüssen vertreten. Sie arbeiteten vielfach als Sprengelleiterinnen am Aufbau der ÖVP mit. Allerdings konnte der Frauenbund keine eigenen Mitglieder aufnehmen, dies war den oben erwähnten drei Bünden allein vorbehalten. Paunovic hatte nicht nur die Leitung der Frauen innerhalb der ÖVP über, sondern sie war auch die erste Frau, die als Obmannstellvertreter der ÖVP fungierte. Im November 1945 zog sie in den Österreichischen Nationalrat ein und mit ihr die Leiterin der steirischen Frauenbewegung, Dr. Frieda Mikola.

Im Archiv des Karl von Vogelsang-Instituts befinden sich zwei Tätigkeitsberichte der steirischen Landesgruppe, die in den 1970er Jahren zu einer der stärksten Landesorganisation aufrückte.[3] Die Berichte geben über den Zeitraum von 1945 bis 1948 Einblick in die Tätigkeiten der ÖVP-Frauen und zeugen von einem regen gesellschaftlichen, sozialen und politischen Engagement der Frauen der ersten Stunde.

„Der österreichische Frauenbund im Rahmen der Ö.V.P.“, so lautete damals die offizielle Benennung, wurde im September 1945 vom steirischen Landeshauptmannstellvertreter Alois Dienstleder ins Leben gerufen. Im steirischen Frauenbund waren alle Frauen,  welche in den drei Bünden der Ö.V.P. oder einzeln in der Partei erfasst sind, vertreten mit dem Zweck, die kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Frauen und Familien zu wahren und in der Öffentlichkeit zu vertreten. Darüber hinaus wolle man in den Frauen die Liebe zum Vaterland Österreich fördern und vertiefen. [4] Hinsichtlich des Aufbaus von Bezirksgruppen konnte man bereits 1946 positiv bilanzieren: Wenn man bedenkt, dass zur damaligen Zeit die Verkehrsverhältnisse sehr schlecht waren und es in den Wintermonaten fast unmöglich war aufs Land zu kommen[5], ist es umso anerkennenswerter, dass es den steirischen ÖVP-Frauen gelang, in der Obersteiermark fast überall Bezirksreferate aufzubauen. Nur die Ost- und Weststeiermark war noch lückenhaft erschlossen. Dennoch berichteten die Steirerinnen mit Stolz, dass die ÖVP Frauen von Tirol und Oberösterreich von ihren Tätigkeiten erfahren haben und sie um deren Richtlinien und Material über ihre Arbeit gebeten hatten.[6] 1948 konnten die steirischen Frauen Bundesleiterin Nadine Paunovic und die charismatische Lola Solar, Landesleiterin von Niederösterreich, als Referentinnen gewinnen, die auf Versammlungen und Sprechabenden in Bezirken und Gemeinden über die Arbeit und das Ziel der Frauenbewegung aufklärten.

Die praktische Arbeit war umfangreich und passte sich den örtlichen Gegebenheiten an. So war der Frauenbund in der Steiermark in Sektionen (Fürsorge, Volksbildung, Hausfrauen, politische Bildung) gegliedert. Demnach kümmerten sich die Frauen etwa um Säuglingsausstattungen oder um in Not geratene Familien mit der Aktion „Hilfe im Haushalt“. Für berufstätige Frauen und Mütter wurde 1947 eine Erholungsaktion veranstaltet, an der 100 Frauen und 70 Kinder teilnahmen. Um den Menschen Kummer und Sorgen zu erleichtern, intervenierten Bezirksleiterinnen, die auch Gemeinderätinnen waren, in Wohnungsfragen, Wiedereinstellungen von Beamten sowie um die Erhöhung der Fürsorgerente. Es wurden in der gesamten Steiermark Vorträge und Führungen sowie Nähkurse für Taschen, Patschen, Spielzeug und Puppen veranstaltet.[7]  Um wieder dem Alltag Normalität, aber auch Freude und Glanz zu bereiten, wurden Feste und Feierlichkeiten zum „Zweck der Förderung des Familienlebens im christlichen Geiste“ [8] veranstaltet. Faschingsfeste sowohl am Land wie auch in den Grazer Redoutensälen hatte man organisiert, ebenfalls Sommer- und Weihnachtsfeste sowie die beliebten Muttertagsfeiern, die im ganzen Land veranstaltet wurden. Auch die politische Bildung durfte nicht zu kurz kommen. Über 100 Frauen nahmen an sogenannten Volksbildungstagungen statt, die nicht nur von den Frauen abgehalten wurden, sondern auch von Landespolitikern wie etwa dem steirischen Landtagspräsidenten.[9]  Einmal pro Monat fand der politische Frauenclub statt, um gewählte Mandatarinnen und die Sektionsleiterinnen über sozial- und kulturpolitische Fragen zu beraten. Auch über eingebrachte bzw.  einzubringende Anträge in Nationalrat, Landtagen oder Gemeinderat wurde diskutiert. Dies galt wohl auch für den parlamentarischen Antrag von Frieda Mikola auf Schaffung eines Fürsorgegesetzes, die Errichtung eines Gremiums für die Fürsorgerinnen oder für das von ihr entworfene Mutterschutzgesetz, das internationale Beachtung fand. Auf der Landtagsebene stellte die stellvertretene Landesleiterin, Abgeordnete Sophie Wolf, einen erfolgreichen Antrag zur Wiedererrichtung eines Polizei-Jugendheimes und eines Gesetzes zum Schutz der Jugend vor Verwahrlosung. Weitere Resolutionen betrafen die Rückführung der Kriegsgefangenen aus Jugoslawien, die Auflösung von Konzentrationslagern und die Amnestie für Minderbelastete. Aus den hier exemplarisch aufgezählten Anträgen wird ersichtlich, wie wichtig es für die Frauenbewegung war, dass ihre Mitglieder auch ein politisches Mandat bekleideten. Dessen war sich auch Frieda Mikola bewusst. Unter ihrer Leitung erlangte der Frauenbund Steiermark als erste Landesbewegung das Recht, Kandidatinnen für den Landtag oder das Parlament nominieren zu dürfen. Sie auf eine wählbare Stelle zu positionieren, war hingegen ein schwieriges Unterfangen und wurde erst Anfang des 21. Jahrhunderts teilweise durch das Reißverschluss-System geändert.

Die ÖVP-Frauen der Steiermark waren von Anfang an sehr aktiv, zwei Jahre nach der Gründung veranstalteten sie am 12. November 1947 den 1. Landesfrauentag unter dem Motto „Ideengemeinschaft, Arbeitsgemeinschaft, Friedensgemeinschaft“. Obwohl die beantragten Bezugsscheine für Kohle, Fett und Zucker abgelehnt wurden, ließen sie sich von ihrer politischen Arbeit nicht abbringen und erschienen mit einem Säckchen Kohle in der einen, ein wenig Essen in der anderen Hand[10], um auf den Stühlen, die vom naheliegenden Schauspielhaus entlehnt werden mussten, Platz zu nehmen.  Von hier aus erhielten sie Impulse, Anregungen für die weitere politische, soziale Arbeit und bildeten entsprechende Netzwerke.

Die Autorin:

Univ.-Prof. Dr. Anita Ziegerhofer, Universität Graz

Institut für Rechtswissenschaftliche Grundlagen

Fachbereich Rechtsgeschichte und Europäische Rechtsentwicklung

Vizepräsidentin des Karl von Vogelsang-Instituts

>> Quellen

Jahresbericht des Österreichischen Frauenbundes (Landesleitung Steiermark) 1945/1946

(Archiv des Karl von Vogelsang-Institut, Signatur 1.004/3)


[1] Felix Hurdes in: Die Frau von Heute 1/15, 17. Oktober 1946, 4 zitiert in Ziegerhofer, 70 Jahre, 17-18.

[2] AdÖFB, Paunovic an Hurdes, 29. August 1945, zitiert in Ziegerhofer, 70 Jahre, 18.

[3] KvVI, Bericht des Österr. Frauenbundes im Rahmen der Ö.V.P., vom September 1945-Juni 1946; Tätigkeitsbericht Der (sic!) Österreichischen Frauenbewegung Steiermark seit dem 1.  Landesfrauentag im November 1947 bis zu dem 2.  Landesfrauentag am 26. November 1948.

[4] KvVI, Bericht 1945-1946.

[5] Ebenda.

[6] Ebenda.

[7] Ebenda.

[8] Ebenda.

[9] KvVI, Tätigkeitsbericht 1947-1948, 1.

[10] Ziegerhofer, 70 Jahre, 108.