Leopold Figl

Leopold Figl wurde 1902 als drittes von neun Kindern einer Tullnerfelder Bauernfamilie geboren. Schon als Gymnasiast in St. Pölten und als Student an der Wiener Hochschule (heute Universität) für Bodenkultur der christlichsozialen Idee verbunden, wurde er 1927 Bauernbundsekretär und 1933 Direktor des Niederösterreichischen Bauernbundes. In der Folge stieg er zum Direktor des gesamtösterreichischen Reichsbauernbundes auf. Zwischen Oktober 1934 und März 1938 gehörte er dem Bundeswirtschaftsrat, einem der mit der Verfassung 1934 eingerichteten vorberatenden Organe der Bundesgesetzgebung, an.

Als prononcierter Gegner des Nationalsozialismus wurde er bereits am 12. März 1938 verhaftet und kam mit dem sogenannten „ersten Prominententransport“ am 1. April 1938 in das Konzentrationslager Dachau. Infolge seines ungebrochenen Bekenntnisses zu Österreich erlitt er dort schwere Folterungen. 1943 aus dem Konzentrationslager entlassen, fand er in der Baufirma seines Freundes Julius Raab Beschäftigung und begann gleichzeitig im Untergrund Vorbereitungen für die Wiederrichtung des Bauernbundes zu treffen. Im Zuge der großen Verhaftungswelle nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 wurde er im Oktober 1944 neuerlich verhaftet und in das Konzentrationslager Mauthausen gebracht. Ende Jänner 1945 wurde er ins Wiener Landesgericht verlegt, wo er – wie zahlreiche seiner Mithäftlinge – mit der Hinrichtung rechnen musste. Am 6. April 1945 kam er unmittelbar vor der Einnahme der Stadt durch die Sowjets in Freiheit und begann in deren Auftrag die Lebensmittelversorgung Wiens zu organisieren.

Am 17. April 1945 zählte er zu den Gründern der Österreichischen Volkspartei im Wiener Schottenstift. Figl gehörte der am 27. April 1945 gebildeten Provisorischen Staatsregierung Renner als Staatssekretär in der Staatskanzlei an, was der Funktion eines Vizekanzlers entsprach. Zugleich baute er die Niederösterreichische Landesverwaltung auf und fungierte bis Herbst 1945 als Landeshauptmann. Im September 1945 wurde er Parteiobmann der ÖVP, für die er bei den ersten Nationalratswahlen vom 25. November 1945 die absolute Mehrheit errang. Er bekleidete bis ins Frühjahr 1953 das Amt des Bundeskanzlers und kehrte im Herbst desselben Jahres als Außenminister in die Regierung zurück. Leopold Figl war Mitglied der von Julius Raab, seinem Nachfolger als Bundeskanzler, geleiteten Regierungsdelegation, die im April 1955 in Moskau den entscheidenden Durchbruch bei den Staatsvertragsverhandlungen erzielte. Am 15. Mai 1955 unterzeichnete er österreichischerseits den Staatsvertrag. 1959 wurde er zum Präsidenten des Nationalrates gewählt. Von dieser Funktion wechselte er 1962 neuerlich in seine Heimat Niederösterreich, wo er bis zu seinem Tod 1965 Landeshauptmann blieb.